Co2 Preis

Aufbruch zu einer neuen Klimapolitik: Ein CO2-Preis 2.0 für ambitionierten Klimaschutz

Autor*innen: Dr. Antonia Schwarz, Dr. Anna Stünzi, Potsdam Institut für Klimafolgenforschung

Seit dem 1. Januar 2021 ist er da: der neue CO2-Preis für Deutschland. Während die erwarteten Mehrkosten in der Presse viel Aufmerksamkeit erfahren, wird die Wirkung aufs Klima bescheiden ausfallen. Im Vergleich mit den Zielen unserer Verbündeten im internationalen Klimaschutz wirkt der niedrige Einstiegspreis enttäuschend ambitionslos. Während wir in Deutschland mit einem Preis von schlappen 25€ starten und lediglich eine Anhebung auf 65 €/t bis 2026 beschlossen haben, hat Norwegen soeben entschieden bis 2030, seinen CO2-Preis von aktuell 57€ schrittweise auf fast 200€ anzuheben. Auch Kanada strebt in den nächsten 10 Jahren eine steile Preissteigerung auf über 100 € an.

Damit der CO2-Preis das hält was er verspricht – nämlich Anreize für die Einsparung von CO2-Emissionen zu setzen und somit für das Erreichen der Klimaziele zu sorgen – wird auch der CO2-Preis in Deutschland steigen müssen. So schätzt ein gemeinsames Gutachten von PIK und MCC, dass ein Anstieg auf rund 130€ pro Tonne CO2 bis ins Jahr 2030 notwendig sein wird, um die Klimaschutzziele zu erreichen.

Eine solch rasante Verschärfung der CO2-Bepreisung geht jedoch unweigerlich mit einer signifikanten finanziellen Mehrbelastung von Haushalten einher. Dies birgt das Risiko, die Bevölkerung gegen die CO2-Bepreisung aufzubringen, wie beispielsweise die Gelb-Westen Proteste in Frankreich zeigten. Die große Aufgabe der Bundesregierung in den kommenden Jahren wird es also sein, durch eine transparente und sozial ausgewogene Ausgestaltung der CO2-Bepreisung die Akzeptanz für eine ambitionierte Klimapolitik mit einem deutlich höheren CO2-Preis zu schaffen.

Verteilungswirkungen und alternative Rückverteilungsoptionen

Die derzeitige Politik wird diesem Anspruch nicht gerecht. Bestehende Studien zeigen, dass die CO2-Bepreisung Geringverdienende anteilsmäßig mit am stärksten belastet, weil sie einen größeren Anteil ihres Einkommens für Heizen, Strom und Benzin ausgeben und diese Kosten oft nur beschränkt beeinflussen können. Die bisher von der Bundesregierung beschlossenen Entlastungs- und Fördermaßnahmen steuern diesem zwar entgegen, sind aber aufgrund der unübersichtlichen Rückverteilung schwer nachvollziehbar. Aktuell fließen die steuerlichen Mehreinnahmen unter anderem in die Senkung der EEG-Umlage und damit der Strompreise. Dank dieser Maßnahme fällt der diesjährige Strompreisanstieg verhältnismäßig gering aus. Zusätzlich sollen eine Erhöhung des Wohngeldes und der Pendlerpauschale Personen mit geringerem Einkommen entlasten und jene, die aufgrund von fehlendem Anschluss an den öffentlichen Nahverkehr oder berufsbedingt auf die Nutzung ihres Autos angewiesen sind.

Der zu erwartende Anstieg des CO2-Preises wird die finanzielle Belastung von Haushalten jedoch weiter verschärfen. Rechnet man alles zusammen, werden außerdem vor allem bessergestellte Haushalte durch die zusätzlichen Fördermaßnahmen begünstigt. Einerseits profitieren sie aufgrund der höheren Steuerentlastung von der angehobenen Pendlerpauschale. Andererseits fließen Zuschüsse für die Verkehrswende und energetische Gebäudesanierung vornehmlich an wohlhabende Haushalte, da nur diese sich ein neues Elektroauto oder Heizungsanlage leisten können. Mit steigendem CO2-Preis wird diese unterschiedliche Begünstigung noch brisanter.

Eine Vereinbarkeit von effektivem Klimaschutz und sozialverträglicher Politik ist jedoch prinzipiell möglich. Die große Hebelwirkung dazu liegt bei der Rückverteilung der Einnahmen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass eine direkte Rückverteilung an die Bevölkerung progressiv wirkt. Werden die Einnahmen durch eine sogenannte Pro-Kopfpauschale an die Bevölkerung zurückgeführt, so zahlen einkommensschwache Haushalte im Schnitt weniger CO2-Steuern, als sie vom gesamten Topf zurückerhalten. Geringverdiener werden also entlastet und jene mit einem niedrigen CO2-Fußabdruck doppelt belohnt.

Herausforderung: Akzeptanz und Kommunikation

Doch wäre damit sichergestellt, dass sich die Akzeptanz grundsätzlich erhöht? Das bleibt offen, denn die tatsächliche Fairness – bestimmt durch die Verteilungswirkungen bzw. jeweiligen finanziellen Belastungen – kann fundamental von der wahrgenommenen Fairness abweichen. Entscheidend für die öffentliche Wahrnehmung sind insbesondere die Informationen zu der Maßnahme bzw. die Kommunikation von Politik und Medien darüber, wie nun auch in der Corona-Krise deutlich wird.

Viele Studien zeigen, dass Informationen zur Wirkungsweise der CO2-Bepreisung und Rückverteilung die Akzeptanz verändern. Entscheidend dabei ist, dass eine identische Information und Kommunikation auf verschiedene Personen sehr unterschiedlich wirken kann. Politische Meinungen werden stark durch die tagtäglichen Probleme und Unsicherheiten der einzelnen Person und ihres Umfeldes beeinflusst. Ein Beispiel: Wer seit Anfang des Jahres einen höheren Benzinpreis zahlt, empfindet das vielleicht als unfair, weil die Mehrkosten beim Tanken im Kopf nicht mit den Einsparungen beim Kauf eines ICE-Tickets verrechnet werden. In der Wissenschaft ist dieses Phänomen unter dem Begriff «mental accounting bias» bekannt. Durch die Sortierung von Ausgaben in unterschiedliche Kategorien werden höhere Kosten in einem Bereich nicht mit Einsparungen an anderer Stelle verrechnet. Somit kann durch den Flickenteppich an Entlastungsmaßnahmen schnell der Trugschluss einer «ungerechten» zusätzlichen Belastung entstehen. Das Problem liegt also nicht am CO2-Preis selbst, sondern daran, dass wir die indirekte Rückverteilung nicht als eine solche wahrnehmen.

Darüber hinaus überschätzen Personen wie repräsentativ die eigene Meinung für die Gesamtbevölkerung ist, wodurch sich ihre Haltung gegenüber der Politik zusätzlich verfestigen kann. So zeigen Experimente bereits aus den 1970er Jahren, dass Menschen dazu tendieren, ihre eigene Wahrnehmung und Einstellungen auch auf die anderen zu projizieren – der sogenannte «false consensus effect». Dies kann zum Irrglauben führen, dass die Mehrheit der Bevölkerung ebenso stark von einem CO2-Preis betroffen sei, wie man es selbst beim Bezahlen an der Tankstelle verspürt. Ein Überschätzen der Häufigkeit der eigenen Meinung in der Gesamtbevölkerung kann die (ablehnende) Haltung gegenüber der Politik verstärken, weil man ja nicht nur für sich selbst, sondern auch «für die stille Mehrheit kämpft». Wer sich als Teil der Mehrheit sieht, fühlt sich darin bestärkt seine Meinung öffentlich kundzutun. Soziale Medien, die aufs Individuum zugeschnittene Neuigkeiten und Informationen abspielen, können diesen Effekt noch verstärken.

Lösung: Zielgerichtet effektive Informationen, Transparenz und Beteiligung

Die oben erwähnten Faktoren unterstreichen die zentrale Bedeutung von Informationen. Wenig Politikvertrauen und Fehlwahrnehmungen machen effektive Kommunikation zu politischen Maßnahmen sehr herausfordernd. Aufgrund dieser Problematik lassen sich öffentliche Meinungskonflikte nur unzureichend mit auf den «Durchschnittsdeutschen» ausgerichteten Informationskampagnen beheben.

Um Konflikte zwischen der wahrgenommenen Fairness einer Bepreisung und der gewünschten Lenkungswirkung zu verhindern, muss die Bevölkerung in den Dialog um die Ausgestaltung des CO2-Preises einbezogen werden. Dieser Prozess beginnt mit einer effektiven Kommunikation. Ziel sollte es sein, ein umfassendes Verständnis der CO-Bepreisung in der Bevölkerung zu schaffen und diese von der Politikmaßnahme zu überzeugen. Eine gemeinsame Faktenbasis ist letztlich die Voraussetzung für einen erfolgreichen Dialog über die mehrheitsfähige Ausgestaltung einer ambitionierten CO2-Bepreisung. In diesem Sinne untersuchen das PIK und das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung im Rahmen des Projektes „CO2-Preis“ die Bedeutung von zielgerichteten Informationen für die Vermittlung von Fakten bezüglich der deutschen CO2-Bepreisung. Unsere Intention ist es dabei herauszufinden, ob eine auf den einzelnen oder Gruppen zugeschnittene Informationskampagne erfolgreicher darin ist, die Menschen aufzuklären und dadurch eine breite Akzeptanz für den CO2-Preis zu schaffen.

Vom Anfangsmodell zum CO2-Preis 2.0

Damit wir das Klima schützen können, brauchen wir effektive und ambitionierte Instrumente wie einen CO2-Preis. Am Beispiel der skandinavischen Länder erkennt man, dass eine ambitionierte Politik möglich ist, wenn sie mit Bedacht und Bereitschaft für eine grundlegende sozialgerechte Umgestaltung durchgeführt wird. Auch in Deutschland haben wir die Möglichkeit mit dem CO2-Preis 2.0 ein solch ehrgeiziges Unterfangen in Angriff zu nehmen. Damit das gelingt, muss die Politik einerseits bereit sein, sich dem verschärfenden Konflikt zwischen sozialgerechter und ambitionierter CO2-Bepreisung zu stellen. Die Aussicht besteht, dass sich dieser durch eine zukunftsweisende Ausgestaltung der Politik und durch Transparenz und glaubwürdige Kommunikation letztendlich entschärfen bzw. vermeiden lässt. Andererseits braucht die Politik dafür konkrete wissenschaftliche Einsichten, wie entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden können bzw. wirken. Genau dazu wollen wir durch unsere Forschung neue Erkenntnisse beisteuern können.

Über Autor*innen und Arbeitspaket:

Als Teil des interdisziplinären Forschungsprojektes „CO2-Preis-Projekt“ untersuchen das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung drei wichtige Aspekte der neuen CO2-Bepreisung:

  1. Was sind die horizontalen und vertikalen Verteilungswirkungen verschiedener Rückverteilungsoptionen sowie Preispfade auf Haushalte?
  2. Was ist die Bedeutung von zielgerichteten Informationen für die Vermittlung von Fakten bezüglich der deutschen CO2-Bepreisung und deren Effekt auf die Akzeptanz?
  3. Welchen Einfluss haben die Preishöhe und Form der Rückverteilung allgemein auf die Akzeptanz eines CO2-Preises?

Neben der Bedeutung der zielgerichteten Kommunikation stehen in unserer Forschung zur Akzeptanz vor allem zwei Aspekte im Vordergrund:

  1. Wie werden die Einnahmen verwendet? Frühere Untersuchungen zeigen, dass eine Mehrheit grundsätzlich dafür plädiert, dass die Einnahmen für klimafreundliche Investitionen genutzt werden. Gleichzeitig kann eine persönlich als fair empfundene vollständige Rückverteilung die Akzeptanz stark erhöhen. Wichtig ist es also zu verstehen, wie sich diese Präferenzen zwischen Personen unterscheiden und sich ggf. bei höheren CO2-Preisen verändern.
  2. Wie verändern sich Präferenzen, wenn man jede Person individuell über die Verwendung der Rückverteilung entscheiden lässt? Interessant ist hier wiederum auch der Einfluss von zielgerichteten Informationen auf die jeweilige Rückverteilungspräferenz im Zusammenhang mit der individuellen Wahrnehmung zu Problemen und Fairness.

Autor*innen:

Nach Abschluss ihrer Promotion in Umweltökonomie hat Dr. Antonia Schwarz eine Postdoc-Stelle am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung angetreten und arbeitet dort unter anderem am CO2-Preis Projekt. Zu ihren dortigen Aufgaben gehört die Leitung des AP 1, welche sich mit der Grundlagenerforschung zu CO2-Bepreisungs-Varianten beschäftigt. Zudem ist sie in die Arbeit der APs 3 und 5 eingebunden, die Akzeptanz und Verteilungseffekte des CO2-Preises erforschen. Neben ihrer Arbeit für das CO2-Preis Projekt ist sie an dem Forschungsprojekt Ariadne beteiligt, welches sich vorrangig mit der Gestaltung der deutschen Energiewende beschäftigt.

Dr. Anna Stünzi hat Psychologie und Volkswirtschaft in Zürich und Kopenhagen studiert und promovierte im Bereich Klima- und Ressourcenökonomie an der ETH Zürich. Sie befasste sich unter anderem mit der Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene. Seit Oktober 2020 ist sie angestellt als Postdoktorandin am PIK. Im Projekt CO2-Preis arbeitet Anna Stünzi im Arbeitspaket 3 zu den Präferenzen bezüglich der Einnahmenverwendung.