Welche Faktoren beeinflussen die gesellschaftliche Akzeptanz einer CO2-Bepreisung?
Ein gutes Verständnis der Determinanten der Akzeptanz und des Einflusses verschiedener Optionen der Einnahmenverwendung auf die Akzeptanz in Deutschland sind eine wichtige Voraussetzung für die Gestaltung eines wirksamen und gesellschaftlich akzeptierten Politikinstruments zur Bekämpfung des Klimawandels. Im Zuge des CO2-Preis-Projektes hat das Team des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) diese Aspekte mithilfe einer repräsentativen Befragung in Deutschland untersucht.
Im Sommer 2021 wurde im Zuge des CO2-Preis-Projektes gemeinsam mit forsa eine groß-angelegte Erhebung zur Akzeptanz der zu Beginn des letzten Jahres in Deutschland eingeführten CO2-Bepreisung unter ca. 7.000 Personen durchgeführt. Zentrales Ziel der Erhebung bestand in der Erfassung der Präferenzen der Bevölkerung im Hinblick auf verschiedene Varianten der CO2-Bepreisung und der Verwendungsmöglichkeiten der dadurch entstehenden Einnahmen. Eine hohe Akzeptanz ist entscheidend für den langfristigen Erfolg der CO2-Bepreisung als Klimaschutzinstrument, da sie andernfalls zu starkem Unmut in der Gesellschaft führen kann. Mithilfe der Befragung sollen daher insbesondere die Faktoren identifiziert werden, die die Zustimmung zur CO2-Bepreisung ganz generell beeinflussen, z.B. sozio-ökonomische Charakteristika, Gerechtigkeitseinstellungen oder die eigene Betroffenheit und wie diese mit der institutionellen Ausgestaltung der CO2-Bepreisung (Preishöhe und Einnahmenverwendung) interagieren (für weitere, über in diesem Beitrag hinausgehende Ergebnisse siehe Werkstattbericht zu der Bevölkerungserhebung).
Wie steht es um die Akzeptanz in Deutschland?
Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass rund 34% der Befragten im Sommer 2021 dem damaligen CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne CO2 vollkommen oder eher zustimmen, während rund 41% überhaupt nicht oder eher nicht zustimmen (1). Unter denjenigen, die die CO2-Bepreisung von 25 Euro ablehnen, geben jedoch 21% an, dass sie den Preis für zu niedrig halten. Dies zeigt, dass ein nicht zu vernachlässigender Teil der Bevölkerung einen höheren CO2-Preis fordert, da bei dem derzeit niedrigen Preisniveau wahrscheinlich an der Wirksamkeit der CO2-Bepreisung gezweifelt wird.
Grundsätzlich beeinflussen verschiedene Faktoren, ob die Befragten einer CO2-Bepreisung tendenziell eher zustimmen oder diese ablehnen. Beispielsweise spielt die persönliche Betroffenheit eine wichtige Rolle. So sind zum Beispiel Befragte mit einer vergleichsweise kurzen Pendelstrecke (bspw. regelmäßiger Weg zur Arbeit, Kita, Schule, Universität) dem CO2-Preis gegenüber besonders positiv eingestellt, während Befragte mit einer längeren Pendelstrecke den CO2-Preis eher ablehnen. Dies liegt vermutlich daran, dass Letztere eine höhere Kostenbelastung durch die CO2-Bepreisung verspüren. Darüber hinaus ist die Zustimmungsrate eng mit dem Politikvertrauen verbunden. Befragte mit niedrigem Vertrauen in die Klimapolitik der Bundesregierung lehnen den CO2-Preis vermehrt ab (Abbildung 2).
Wie beeinflusst die Ausgestaltung die Akzeptanz?
Neben der Zustimmung zur aktuellen CO2-Bepreisung wurden die Befragten auch zu unterschiedlichen Preishöhen (25, 55 und 130 Euro/t) und Rückverteilungsvarianten (klimafreundliche Investitionen, Pro-Kopf-Pauschale, Härtefallkompensation) befragt, um zu untersuchen, wie diese Merkmale der Ausgestaltung die Zustimmungsrate beeinflussen. Insgesamt sinkt mit höheren CO2-Preisen die Unterstützung weiter, allerdings empfinden auch fast 20% der Befragten sogar einen CO2-Preis von 130 Euro/t noch als zu niedrig.
Bezogen auf mögliche Rückverteilungsarten sind die Befragten sowohl dem Preis von 25 Euro/t sowie auch den höheren Preisen von 55 Euro/t oder 130 Euro/t eher zugeneigt, wenn die Einnahmen aus der Bepreisung vollständig für klimafreundliche Investitionen verwendet werden (Abbildung 3). Bei einem Preis von 25 Euro/t stimmt sogar eine absolute Mehrheit dem CO2-Preis zu. Die Zustimmung zum CO2-Preis bei einer vollständigen Einnahmenverwendung für die Pro-Kopf-Rückverteilung bleibt nahezu konstant bei ca. 30%, unabhängig von der Preishöhe. Auch wenn die Zustimmung zum CO2-Preis bei einer Einnahmenverwendung für klimafreundliche Investitionen mit höheren CO2-Preisen abnimmt, ist die Zustimmungsrate immer noch fast doppelt so hoch als bei einer Pro-Kopf-Rückverteilung. Eine Verwendung der Einnahmen für klimafreundliche Investitionen führt also insgesamt und insbesondere bei höheren Preisen zu einer höheren Zustimmung im Vergleich zur Pro-Kopf-Rückverteilung.
Darüber hinaus zeigen die Umfrageergebnisse, dass ein Rückverteilungsmix bestehend aus 50% klimafreundlichen Investitionen, 25% Pro-Kopf Rückverteilung und 25% Rückverteilung an Härtefälle, also besonders hart Betroffene, von den Befragten favorisiert wird. 58% der dazu Befragten akzeptieren den CO2-Preis bei dieser Rückverteilungskombination. Im Vergleich dieser Rückverteilungskombination mit der aktuellen Rückverteilung in Deutschland, bei der statt einer Pro-Kopf-Rückverteilung etwa 25% der Einnahmen zur Gegenfinanzierung der EEG-Umlage genutzt werden, bevorzugen rund 60% der Befragten den tatsächlich in Deutschland umgesetzten Rückverteilungsmix. Bei weiteren Vergleichen der zweit- und drittbeliebtesten Rückverteilungskombinationen in der Umfrage, in welchen ein höherer Anteil der Einnahmen als im aktuellen deutschen Rückverteilungsmix in klimafreundliche Investitionen fließt, wird der beliebteste Mix in der Befragung der aktuellen Rückverteilungskombination in Deutschland vorgezogen. Insgesamt wird ersichtlich, dass die Befragten bei größeren Unterschieden zwischen der derzeitigen Einnahmenverwendung in Deutschland und der von ihnen präferierten Aufteilung in der Befragung deutlich ihre präferierte Alternative der derzeitigen Verwendung vorziehen.
Wie geht es weiter?
Eine CO2-Bepreisung ist der effizienteste Weg, um Treibhausgasemissionen zu reduzieren. Aktuell beträgt der Preis pro Tonne CO2 30 Euro und wird in Zukunft weiter steigen, auf 55 Euro bis zum Jahr 2025. Umweltökonom*innen betonen jedoch immer wieder, dass dieser Preispfad zu niedrig ist. Da höhere Preise naturgemäß auf weniger Akzeptanz stoßen, wird versucht, diese durch eine geschickte Rückverteilung zu erhöhen. In Deutschland ist dafür das sogenannte Klimageld im Gespräch, welches vorsieht, jeder Person pro Jahr denselben Betrag aus den Einnahmen zurückzahlen.
Wie die im Zuge des CO2-Preis-Projektes durchgeführte repräsentative Befragung zeigt, steigert eine pauschale Rückverteilung die Akzeptanz im Schnitt nur geringfügig. Allerdings befürworten insbesondere besser gestellte Haushalte die gezielte Nutzung der Einnahmen aus dem CO2-Preis für den Klimaschutz. Daher bestünde eine überlegungswerte Option darin, das Klimageld als Standard einzuführen, den Bürger*innen jedoch die Wahl zu geben, ob sie das Klimageld tatsächlich erhalten möchten oder ihren Anteil für alternative Zwecke bereitstellen möchten, etwa zur sozialen Abfederung von Härtefällen oder für klimafreundliche Investitionen.
Eine ähnliche Diskussion läuft aktuell aufgrund der durch den Krieg in der Ukraine gestiegenen Energiepreise. Während einige Akteure fordern, Benzinpreise für alle zu senken, könnte eine effizientere Maßnahme darin bestehen, gezielt jene Haushalte zu entlasten, welche stark betroffen sind jedoch kaum Möglichkeiten zur Kostenminderung haben. So würden einerseits die Anreize zum Energiesparen erhalten und bedürftige Haushalte nicht übers Maß belastet.
Die Gratwanderung zwischen Sozialverträglichkeit, Akzeptanz und wirksamem Klimaschutz für eine optimale Ausgestaltung des CO2-Preises in Deutschland wird im Zuge des Forschungsprojektes „CO2-Preis“ weiterhin untersucht. Neben den vorgestellten Analysen zu den Determinanten der Akzeptanz untersucht das Team des RWI und des PIK etwa auch, inwiefern auf Personen zugeschnittene Informationen zum CO2-Bepreis die bevorzugte Rückverteilung und die Akzeptanz beeinflussen.
Über Autor*innen und Arbeitspaket:
Als Teil des interdisziplinären Forschungsprojektes „CO2-Preis“ untersucht das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung gemeinsam mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) im Arbeitspaket 3 die Faktoren, welche die Zustimmung zur CO2-Bepreisung beeinflussen. Zudem wird die Interaktion zwischen diesen Faktoren und unterschiedlichen institutionellen Ausgestaltungsvarianten der Bepreisungssysteme analysiert. Zu diesem Zweck haben das RWI und das PIK in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut forsa eine Erhebung unter 7.058 zufällig ausgewählten Haushalten durchgeführt. Eine ausführliche deskriptive Beschreibung der Befragungsergebnisse ist hier zu finden: https://www.CO2-preis.info/aus-dem-projekt.html
Autorinnen:
Kathrin Kaestner ist seit Januar 2020 als Wissenschaftlerin und Doktorandin im Kompetenzbereich „Umwelt und Ressourcen“ am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Energie- und Verhaltensökonomik sowie der Mikroökonometrie. Im Projekt „CO2-Preis“ ist sie für die Durchführung und Auswertung einer Erhebung unter deutschen Haushalten zur Akzeptanz verschiedener CO2-Bepreisungs- und Rückverteilungsvarianten verantwortlich (Arbeitspaket (AP) 3). Des Weiteren ist Kathrin Kaestner für die Untersuchung der Verteilungswirkungen dieser Varianten mithilfe aktueller Haushaltsdaten und Mikrosimulationen zuständig (AP 5).
Dr. Antonia Schwarz ist promovierte Umweltökonomin und arbeitet seit Sommer 2020 als Postdoktorandin am Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung in der Arbeitsgruppe „Klima & Energiepolitik“. Derzeit beschäftigt sie sich vor allem mit der Implementierung des Klimaschutzprogramms 2030 der deutschen Bundesregierung. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der empirischen Analyse der sozialen Akzeptanz von Umweltpolitikmaßnahmen sowie deren Auswirkung auf das Konsumverhalten. Zu ihren Aufgaben im „CO2-Preis“ Projekt gehört unter anderem die Leitung des Arbeitspaketes (AP) 1, welche sich mit der Grundlagenerforschung zu CO2-Bepreisungs-Varianten beschäftigt. Zudem ist sie in die Arbeit der APs 3 und 5 eingebunden, die Akzeptanz und Verteilungseffekte des CO2-Preises erforschen. Neben ihrer Arbeit für das „CO2-Preis“ Projekt ist sie an dem Forschungsprojekt Ariadne beteiligt, welches sich vorrangig mit der Gestaltung der deutschen Energiewende beschäftigt.
Prof. Dr. Stephan Sommer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Hochschule Bochum. Seit Dezember 2013 ist er als Wissenschaftler am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung im Kompetenzbereich „Umwelt und Ressourcen“ tätig. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der Verhaltensökonomik, der Angewandten Ökonometrie und der Umwelt-, Ressourcen- und Energieökonomik. Insbesondere konzentriert er sich in seiner Forschung einerseits auf den Energieverbrauch privater Haushalte und andererseits auf die soziale Akzeptanz von umweltpolitischen Instrumenten sowie deren Verteilungseffekte. Im Projekt „CO2-Preis“ ist er für die Untersuchung der Präferenzen bzgl. der Einnahmenverwendung verantwortlich (AP 3 und 5).
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