Co2 Preis

Verteilungs­wirkungen eines CO2-Preises

Autor*innen: Kathrin Kaestner, Dr. Stephan Sommer, RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung

Welche Wirkungen hat der neue CO2-Preis auf die Heiz- und Mobilitätskosten der Haushalte und welche Entlastungsmaßnahmen gibt es?

Deutschland hat zum 1. Januar 2021 einen Preis auf die Emission von CO2 im Gebäude- und Verkehrssektor eingeführt. Der CO2-Preis verringert Emissionen, indem emissionsreiche Aktivitäten teurer werden, und umweltfreundliches Verhalten attraktiver wird. Als erfolgreiches Politikinstrument im Kampf gegen den Klimawandel muss der CO2-Preis aber auch sozial gerecht ausgestaltet sein. Die Bundesregierung hat daher bereits verschiedene Maßnahmen beschlossen, um durch den CO2-Preis verursachte Härten abzufedern.

Copyright Foto: https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz und https://www.bundesregierung.de/breg-de/suche/co2-preis-1811394. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung. Veröffentlicht 2021

Seit dem 1. Januar 2021 gilt in Deutschland ein Preis für CO2-Emissionen im Wärme- und Verkehrssektor. Die Emissionen in diesen Bereichen machen derzeit ca. 36% der Gesamtemissionen in Deutschland (Abbildung 1) aus und müssen daher dringend gesenkt werden, damit Deutschland sein Klimaschutzziel 2030 erreichen kann: 55 Prozent weniger Treibhausgase im Vergleich zum Jahr 1990.

Abbildung 1: Eigene Darstellung nach Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) 2020 (https://www.bmu.de/pressemitteilung/treibhausgasemissionen-sinken-2020-um-87-prozent/)

Der neue CO2-Preis ist hierbei ein wichtiges Instrument. Derzeit ist ein Preis in Höhe von 25 Euro pro Tonne CO2 fällig, der bis zum Jahr 2025 sukzessive auf 55 Euro pro Tonne steigen soll. Der CO2-Preis senkt Emissionen, indem das Heizen und Autofahren mit fossilen Brennstoffen teurer und umweltfreundliche Alternativen vergleichsweise attraktiver werden.

Somit haben Haushalte einen Anreiz, die Verwendung emissionsintensiver, und somit klimaschädlicher, Brennstoffe wie Benzin und Heizöl zu verringern und sich stattdessen klimafreundlicher zu verhalten. Haushalte, die ihre Emissionen nicht reduzieren, werden durch den CO2-Preis mit höheren Kosten konfrontiert.

Die Kostenbelastung durch einen CO2-Preis wird häufig als eine der größten Sorgen in der Bevölkerung angesehen und kann zu großem Unmut führen, wie die Gelb-Westen Proteste in Frankreich gezeigt haben. Auch die Bundesregierung schien angesichts des niedrig gewählten Einstiegspreises und der flachen Preissteigerung darum besorgt zu sein (das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und das Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) empfehlen, den Preis zur Erreichung der Klimaschutzziele auf 130 Euro pro Tonne CO2 im Jahr 2030 zu erhöhen).

Welche Verteilungswirkungen hat der CO2-Preis in Deutschland?

Da die soziale Gerechtigkeit ein zentraler Aspekt bei der Ausgestaltung eines CO2-Preises ist, wurden vor seiner Einführung mögliche Verteilungswirkungen für Deutschland in verschiedenen Studien untersucht. Egal ob der Analyse ein CO2-Preis von 20, 50 oder 130 Euro zugrunde gelegt wird, zeigen all diese Studien, dass ein CO2-Preis ohne eine Rückverteilung der Einnahmen regressiv wirkt: Haushalte mit geringen Einkommen werden also relativ stärker belastet als wohlhabende Haushalte (durchgezogene Linie in Abbildung 2). Da Heizung und Warmwasser zu den Grundbedürfnissen gehören, nehmen der Verbrauch und somit die Emissionen mit steigendem Einkommen nur schwach zu, sodass die relative Belastung sinkt.

Allerdings führt ein CO2-Preis ohne Rückverteilung nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb von Einkommensklassen zusätzlich zu Verteilungseffekten (dargestellt durch die Interquartilsabstände, also die mittleren 50% der jeweiligen Einkommensklassen, in Abbildung 2). Grund dafür ist, dass sich die Pro-Kopf-Konsumausgaben für Energie innerhalb gleicher Einkommensgruppen ebenfalls stark unterscheiden können. Einerseits kann dies an der Haushaltsgröße liegen. Grundbedürfnisse wie Wärme sind zumindest teilweise unabhängig von der Anzahl der Haushaltsmitglieder, sodass die CO2-Emissionen aus diesen Bereichen pro Kopf mit der Haushaltsgröße abnehmen und Alleinstehende relativ höhere Kosten tragen. Andererseits werden Haushalte in ländlichen Regionen Deutschlands tendenziell stärker von einem CO2-Preis belastet als Haushalte in städtischen Regionen, etwa weil sie im Durchschnitt stärker auf das Auto angewiesen sind und es strukturelle Unterschiede in den Heizungstypen gibt.

Abbildung 2: Darstellung vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) 2019

So zeigen die Daten für Deutschland, dass ein Haushalt in einem städtischen Raum rund 5% weniger CO2 durch Diesel oder Benzin ausstößt als ein vergleichbarer Haushalt auf dem Land. Haushalte in ländlichen Regionen Deutschlands besitzen außerdem häufiger eine Ölheizung während Haushalte in der Stadt eher mit Gas heizen oder sogar Fernwärme nutzen können, sodass auch hier die CO2-Bepreisung tendenziell zu höheren Kosten für die ländliche Bevölkerung führt

Insgesamt gibt es vier Haushaltsgruppen, welche besonders stark von einem CO2-Preis belastet werden: Einkommensschwache Haushalte, Haushalte mit weiter Pendelstrecke, Haushalte mit Ölheizung und Alleinstehende. Beruhigend dürfte sein, dass eine gleichzeitige Zugehörigkeit eines Haushalts zu allen vier Gruppen sehr unwahrscheinlich ist.

Aufgrund der Verteilungswirkungen wird bei der Untersuchung der Verteilungswirkung eines CO2-Preises auch die Rückverteilung der Einnahmen an die Bevölkerung berücksichtigt. Eine besonders attraktive Art der Rückverteilung ist die Pro-Kopf-Pauschale (auch Klimaprämie oder Klimadividende genannt), die z.B. in der Schweiz umgesetzt wird. Jede in Deutschland lebende Person würde demnach pro Jahr denselben Geldbetrag aus den Einnahmen ausgezahlt bekommen. Dies stellt eine einfache Art dar, die regressive Verteilungswirkung des CO2-Preises zu einer progressiven Verteilungswirkung umzukehren (s. gestrichelte Linie in Abbildung 2).

Verwendung der Einnahmen aus dem CO2-Preis in Deutschland

Deutschland hat bei der Verwendung der Einnahmen aus dem CO2-Preis einen anderen Weg eingeschlagen (Abbildung 3). Zwar sollen zum einen hohe soziale Ungleichheiten bei der finanziellen Belastung vermieden werden. Zum anderen sollen klimafreundliche Investitionen gefördert werden. Konkret werden die Einnahmen wie folgt verwendet:

  1. Senkung der EEG-Umlage: Analysen zeigen, dass durch verringerte Strompreise einkommensschwächere Haushalte relativ stärker entlastet werden als obere Einkommensgruppen, sodass die regressive Wirkung des CO2-Preises abgeschwächt wird. Eine Pro-Kopf-Pauschale hätte allerdings einen stärkeren progressiven Verteilungseffekt als die Senkung der EEG-Umlage.
  2. Transfers für Härtefälle: Durch die Einführung des CO2-Preises kommen höhere Kosten auf Einkommens- und sozio-ökonomische Gruppen zu. Deswegen hat die Bundesregierung beschlossen, finanzielle Transfers für die sogenannten Härtefälle auszuweiten. Diese umfassen zum einen die Erhöhung des Wohngeldes, da betroffene Haushalte weder Einfluss auf die Wärmezufuhr nehmen können, noch finanzielle Mittel zur Anschaffung energieeffizienter Haushaltsgeräte zur Verfügung haben. Zum anderen wurde die Entfernungspauschale erhöht. Für einkommensschwächere Haushalte, die unter den Freibetrag der Einkommenssteuer fallen, gibt es statt der Entfernungspauschale, ein sogenanntes Mobilitätsgeld.
  3. Klimafreundliche Investitionen: Diese beinhalten Fördermaßnahmen der Energie- und Wärmewende, z.B. eine Bezuschussung energetischer Sanierungsmaßnahmen, eine Kaufprämie für Elektroautos und den Ausbau des ÖPNVs.
Abbildung 3: Darstellung vom MCC 2020 (https://blog.mcc-berlin.net/post/article/das-deutsche-klima-finanzpaket.html)

Insgesamt reduzieren die beschlossenen Maßnahmen die durch den CO2-Preis ausgelösten Mehrkosten für Verbraucher:innen, insbesondere in den unteren Einkommensklassen. Allerdings zeigt eine aktuelle Untersuchung des MCC, dass Verbraucher:innen derzeit noch nicht ausreichend direkt entlastet werden. Mit der derzeitigen Rückverteilung werden auch wohlhabendere Haushalte zum Teil relativ stark entlastet und profitieren außerdem tendenziell stärker von der indirekten Rückverteilung, etwa durch die Kaufprämie für Elektroautos.

Ausblick

Damit der CO2-Preis ein nachhaltig wirksames Instrument im Kampf gegen den Klimawandel sein kann, muss er einerseits einen angemessenen Preis haben, aber auch von der Bevölkerung akzeptiert werden und keine neuen sozialen Härten verursachen. Der derzeitige CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne ist noch sehr niedrig. Mit steigenden CO2-Preisen, wie sie im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung vorgesehen und für effektiven Klimaschutz notwendig sind, wird die Bedeutung der Verteilungsaspekte steigen. Auch wenn ein höherer Preis zu höheren Mehrkosten für Verbraucher:innen führt, erhöht er gleichzeitig die Einnahmen, welche an die Bürger:innen zurückverteilt werden können. Die Frage nach der Ausgestaltung des CO2-Preises wird in Zukunft also unmittelbar mit sozialen Fragen vermischt, auch um die Akzeptanz des CO2-Preises aufrecht zu erhalten. Die Zeit wird zeigen, ob die geplanten Erhöhungen des CO2-Preises mit einer Änderung der Verwendung einhergehen. Aus Verteilungssicht wäre dies zu wünschen. Aus diesem Grund untersucht ein Team des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und des PIK im Zuge des Forschungsprojektes „CO2-Preis“ die Verteilungswirkungen einer CO2-Bepreisung für unterschiedliche Preishöhen und verschiedene Varianten der Einnahmenverwendung. Auf Basis von Haushaltsdaten soll so analysiert werden, wie sozialverträglich und somit zukunftsfähig verschiedene Arten der Rückverteilung für Deutschland sind.

Über Autor*innen und Arbeitspaket:

Als Teil des interdisziplinären Forschungsprojektes „CO2-Preis“ untersucht das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung gemeinsam mit dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung im Arbeitspaket 5 „Mikroanalysen Haushaltssimulationen“ Verteilungswirkungen der verschiedenen Varianten zur CO2-Bepreisung und Rückverteilung auf Haushalte. Dafür wird ein Mikrosimulationsmodell auf Basis der Haushaltsdaten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) entwickelt, mit dem die durch einen CO2-Preis verursachten Verteilungswirkungen der Steigerung von Energiekosten (Erdgas, Heizöl, Benzin/Diesel) beziffert werden.

Darüber hinaus wird mithilfe dieses Mikrosimulationsmodells ein öffentliches Online-Tool entwickelt, mit welchem alle Bürger:innen ihren Energieverbrauch durch Wärme, Strom und Mobilität abschätzen lassen können sowie darauf basierend Informationen zur Höhe ihrer Kosten durch den CO2-Preis sowie zur Rückverteilung und Einsparmöglichkeiten erhalten.

Autor*innen:

Kathrin Kaestner ist seit Januar 2020 als Wissenschaftlerin und Doktorandin im Kompetenzbereich „Umwelt und Ressourcen“ am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen tätig. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Energie- und Verhaltensökonomik sowie der Mikroökonometrie. Im Projekt CO2-Preis ist sie für die Untersuchung der Verteilungswirkungen dieser Varianten mithilfe aktueller Haushaltsdaten und Mikrosimulationen zuständig. Des Weiteren ist Kathrin Kaestner für die Durchführung und Auswertung einer Erhebung unter deutschen Haushalten zur Akzeptanz verschiedener CO2-Bepreisungs- und Rückverteilungsvarianten verantwortlich.

Dr. Stephan Sommer ist seit Dezember 2013 als Wissenschaftler am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung im Kompetenzbereich „Umwelt und Ressourcen“ tätig. Seine Forschungsinteressen liegen im Bereich der Verhaltensökonomik, der Angewandten Ökonometrie und der Umwelt-, Ressourcen- und Energieökonomik. Insbesondere konzentriert er sich in seiner Forschung einerseits auf den Energieverbrauch privater Haushalte und andererseits auf die soziale Akzeptanz von umweltpolitischen Instrumenten sowie deren Verteilungseffekte. Im Projekt CO2-Preis ist er für die Untersuchung der Präferenzen bzgl. der Einnahmenverwendung verantwortlich.